Kindheit

Wir kletterten wie die Affen auf Bäume und Dächer, wir sprangen von Bretterstapeln und Heuhaufen, daß unsere Eingeweide nur so wimmerten, wir krochen quer durch riesige Sägemehlhaufen, lebensgefährliche, unterirdische Gänge entlang, und wir schwammen im Fluß, lange bevor wir überhaupt schwimmen konnten....Und wir spielten und spielten und spielten, so daß es das reine Wunder war, daß wir uns nicht totgespielt haben...

(Astrid Lindgren, Kindheitserinnerungen)

Das Glück solcher Spielplätze hat heute kaum noch ein Kind. Äußere Räume, in denen Kinder so frei und unbeschwert die Welt erforschen und erproben können, müssen erst neu wieder geschaffen werden. Eine gigantische Industrie hat es sich sogar zum Ziel gesetzt, die Spielplätze unserer Kinder in virtuelle Welten zu versetzen. Eine Flut von Erwachsenenprodukten überfremdet die Kindheit. Die Welt und das Leben werden dargeboten als auf die Mattscheibe gebannte Fertigbilder.

Verhindert wird dadurch eine umfassende, reale Sinnes- und Welterfahrung und die daraus gewonnene eigene Begriffsbildung als Grundlage für ein gesundes Vertrauen in die Welt und in sich selbst. Verhindert wird ebenso die freie Entfaltung von Phantasie und Kreativität im kindlichen Spiel - wenn es denn noch stattfindet –, weil sie gefesselt sind an die vielen fremden Bilder. Unsere durchtechnisierte Hochgeschwindigkeits-Leistungs-Gesellschaft raubt den Kindern ihr Kindsein, indem sie die Kindheit immer früher für ihre Zwecke funktionalisiert.

Kindsein war noch nie so schwierig wie heute!

Ist die Zunahme von Auffälligkeiten und Ungewöhnlichkeiten bei Kindern und Jugendlichen
nicht Ausdruck einer tief berechtigten Weigerung,
sein Kind-Sein, sein Jung-Sein, sein Anders-Sein, sein individuelles Eigen-Sein zu opfern,
um nahtlos und reibungslos sich einzufügen in ein Weltgefüge,
das ohne ihr Zutun entstanden ist?